Was ist Multiple Sklerose?
Eine Heilung ist derzeit nicht möglich – es gibt aber zahlreiche Therapien, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen.1 Die Krankheitsanzeichen der Multiplen Sklerose sind sehr vielfältig – kein Verlauf ähnelt dem anderen.2
Betroffene leiden vor allem unter:
- Müdigkeit
- Sehstörungen
- Verlust der Muskelkraft
- Bewegungsstörungen
- Lähmungserscheinungen
- Empfindungsstörungen
- Blasenproblemen
- Schmerzen
Wer bekommt Multiple Sklerose?
Meistens treten die ersten Anzeichen bei MS im Alter von 20 bis 40 Jahren auf.3 Doch es können auch Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen erkranken.3,4 Bei Frauen kommt MS häufiger vor als bei Männern.5 So sind Frauen von der häufigsten Verlaufsform, der schubförmig-remittierenden MS, zwei- bis dreimal häufiger als Männer betroffen.6 In Deutschland gibt es mehr als 250.000 Menschen mit Multipler Sklerose7, weltweit sind schätzungsweise 2,5 Mio. Menschen daran erkrankt.8
Führt MS zum Leben im Rollstuhl?
Viele Außenstehende haben den Irrglauben, dass alle Menschen mit MS irgendwann im Rollstuhl sitzen würden.9 Doch zahlreiche MS-Betroffene haben einen milden Krankheitsverlauf und können sich auch Jahrzehnte nach dem Auftauchen der ersten Anzeichen uneingeschränkt bewegen.8 Die Lebensqualität vieler MS-Betroffenen hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert.10 Auch ihre Lebenserwartung nähert sich derjenigen gesunder Menschen an. Dies ist vor allem modernen Therapien zu verdanken: Sie können die Symptome verringern und das Fortschreiten des Krankheitsverlaufs zeitweise stoppen oder verzögern.11 Viele MS-Betroffene können ihren Beruf daher auch langfristig weiter ausüben, einige von ihnen in Teilzeit.12
Wie entsteht Multiple Sklerose?
MS ist eine Autoimmunerkrankung. Das Immunsystem wird fehlgeleitet und greift körpereigene Zellen an. Bei Multipler Sklerose attackiert es Zellen im zentralen Nervensystem – genauer gesagt die sogenannte Myelinscheide. Diese spielt für die Funktion des zentralen Nervensystems eine entscheidende Rolle: Als eine fettreiche Membran umgibt die Myelinscheide die Nervenfasern und isoliert sie – elektrische Signale können daher schnell und effizient weitergeleitet werden. Wird die schützende Myelinhülle beschädigt, kann es zu Ausfallerscheinungen wie Lähmungen kommen.13
Die Multiple Sklerose wird auch als duale Erkrankung bezeichnet: Durch die Attacken des Immunsystems werden sowohl Nervenzellen im zentralen Nervensystem zerstört als auch entzündliche Botenstoffe ausgeschüttet (sogenannte Zytokine). Die Folge: Die geschädigten Nerven können keine Signale mehr weiterleiten. Da das zentrale Nervensystem unter anderem Bewegung und Körperhaltung koordiniert, können MS-Betroffene oft ihre Muskeln nicht mehr richtig steuern und verlieren an Muskelkraft. Ist das zentrale Nervensystem geschädigt, kann es Reize wie zum Beispiel Wärme, Kälte und visuelle Eindrücke nicht mehr vollständig weiterleiten. Daher treten bei MS-Betroffenen auch Symptome, wie Empfindungs- und Sehstörungen auf.
Welche Formen der Multiplen Sklerose gibt es?
Multiple Sklerose ist eine Erkrankung mit vielen Gesichtern.14 Der Verlauf und das Erscheinungsbild der Erkrankung können stark variieren – daher verläuft sie bei jedem Betroffenen anders. So haben die einen Betroffenen über Jahrzehnte hinweg kaum Einschränkungen, andere dagegen starke Symptome.
Mediziner unterscheiden unterschiedliche Stadien und Verlaufsformen:15
Klinisch isoliertes Syndrom (KIS)
- Erstes Auftreten MS-typischer Symptome, die mehr als 24 Stunden anhalten.
- Der erste Schub erfüllt noch nicht die notwendigen Kriterien für die Diagnose „Multiple Sklerose“. Doch 85 %16 der Betroffenen entwickeln weitere Schübe, die eine Diagnose erlauben.
Schubförmig-remittierende MS (RRMS)
- Die RRMS ist mit mehr als 80 % die häufigste Verlaufsform.17
- Die Symptome treten während eines Krankheits-Schubes auf. Ein Schub kann einige Tage bis zu mehreren Wochen dauern.
- Die ersten Symptome sind häufig Seh- oder Sensibilitätsstörungen.
- Im Anschluss gehen die Anzeichen ganz oder teilweise zurück. Dieses Schema aus Schub und Erholung kann sich über mehrere Jahre hinziehen.
- Im Laufe der Zeit werden die Krankheitsanzeichen jedoch aufgrund der zunehmenden Schädigung der Nerven chronisch.
Primär-progrediente MS (PPMS)
- Die seltenste Form der MS. Sie tritt bei 10 bis 15 % aller Betroffenen auf.18
- Erstes Auftreten meist ab dem 40. Lebensjahr.
- Die Erkrankung schreitet kontinuierlich fort.
- Die Symptome nehmen auch ohne Schübe zu.
- Die Anzeichen bilden sich nicht zurück.
Sekundär-progrediente MS (SPMS)
- Die Multiple Sklerose beginnt schubförmig.
- Danach nehmen die Krankheitsanzeichen stetig und schleichend zu. Diese Phase kann mit oder ohne MS-Schübe verlaufen.
- Ungefähr zwei Drittel der Patienten mit RRMS entwickeln innerhalb von 30 Jahren eine SPMS.19
Was sind die Ursachen der Multiplen Sklerose?
Die Ursachen von MS sind bis heute nicht vollständig geklärt. Bewiesen ist: Wer raucht oder Lösungsmitteln ausgesetzt ist, hat ein deutlich erhöhtes Risiko, an MS zu erkranken.20 Auffällig ist auch, dass Multiple Sklerose in bestimmten Regionen der Erde gehäuft vorkommt. Daher diskutieren Experten über den Einfluss von fehlender UV-Strahlung und Vitamin D-Mangel bei der Entstehung von Multipler Sklerose.21
Denn zahlreiche Studien zeigen: Je näher eine Bevölkerung am Äquator lebt, desto geringer ist ihr Risiko, an MS zu erkranken. Zu den weiteren möglichen Ursachen gehören Verschiebungen im Darm-Mikrobiom durch Ernährung und Stress sowie Umweltfaktoren. So ist bewiesen, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus das Risiko erhöht, an MS zu erkranken – unabhängig vom ethnischen Hintergrund.22
Welche Rolle spielt die Genetik bei MS?
Experten gehen davon aus, dass bei Multiple Sklerose eine genetische Disposition, also eine erblich bedingte Anfälligkeit eine Rolle spielt. Denn die Krankheit tritt in Familien gehäuft auf. Studien lassen außerdem vermuten, dass Umwelteinflüsse und genetische Veranlagung im Zusammenspiel für die Entstehung der Multiplen Sklerose verantwortlich sind.
Bei Kindern von Betroffenen ist das Risiko, selbst an MS zu erkranken, gegenüber dem Risiko der Gesamtbevölkerung rund 20-fach erhöht. Allerdings hat der Nachwuchs von MS-Betroffenen mit rund 2 bis 3 % immer noch ein eher geringes Erkrankungsrisiko.23,24
Wodurch werden MS-Schübe ausgelöst?
Auslöser für Schübe können z.B. sein:
- Psychischer Stress
- Körperliche Belastungen wie Infekte oder Operationen
- Hormonelle Umstellungen, z. B. nach einer Schwangerschaft
- Rauchen verstärkt die Symptome. Die Erkrankung schreitet zudem schneller voran. Denn die Teerstoffe regen das Immunsystem der Lunge an. Sie können so die Autoimmunität, also die Angriffe des Immunsystems auf den eigenen Körper, verstärken.
Schub oder Pseudoschub?
Mediziner unterscheiden bei Multipler Sklerose zwischen „echten“ Schüben, die mindestens 24 Stunden dauern, und Pseudoschüben. Bei einem Pseudoschub verschlechtern sich die Krankheitsanzeichen nur vorübergehend – oft nur für wenige Stunden. Ein solcher Pseudoschub kann durch seelische oder körperliche Belastung ausgelöst werden.25
Warum tritt MS häufiger bei Frauen auf?
Frauen leiden häufiger an Autoimmunerkrankungen als Männer.26 Dies trifft auch auf die Multiple Sklerose zu: Frauen erhalten drei bis viermal so oft eine MS-Diagnose, wie Männer.27 US-Forscher fanden heraus: Männer sind besser geschützt, da sie mehr Testosteron produzieren. Zudem ist das Immunsystem von Frauen deutlich aktiver – und greift daher eher körpereigenes Gewebe an, so wie es bei der Multiplen Sklerose der Fall ist.
Der mögliche Hintergrund: Bei Frauen kommt vermehrt ein Gefäßprotein vor, das die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger macht. Zellen des Immunsystems, die körpereigenes Gewebe angreifen, können so leichter in das Gehirn gelangen – und die schützende Myelinschicht rund um die Nervenfasern angreifen.28
MS erhöht das Risiko für weitere Autoimmunerkrankungen
Studienergebnisse zeigen: Multiple Sklerose steht in Verbindung mit anderen Autoimmunkrankheiten. Betroffene mit Autoimmunerkrankungen wie MS, Rheumatoider Arthritis und Typ 1-Diabetes zeigen Gemeinsamkeiten bei der Aktivierung bestimmter Gene (Genexpressionsmuster). Das heißt nicht, dass jeder MS-Erkrankte weitere Autoimmunerkrankungen entwickelt. Betroffene haben jedoch ein grundsätzlich erhöhtes Erkrankungsrisiko gegenüber Menschen ohne MS.29
Auch weisen Studien darauf hin, dass Verwandte ersten Grades von Autoimmun-Erkrankten ebenfalls eine genetisch bedingte erhöhte Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen aufweisen.30
Gibt es einen Zusammenhang zwischen MS und Allergien?
Es gibt bis heute keine Beweise, dass Nahrungsmittel-Allergien das Risiko erhöhen, an Multipler Sklerose zu erkranken. MS-Betroffene mit einer Nahrungsmittel-Allergie sind zudem auch nicht stärker körperlich eingeschränkt als nicht-allergische Menschen mit MS.31 Die Allergie hat zum Beispiel keinen Einfluss auf den sogenannten Multiple-Sclerosis-Severity-Score (MSSS). Dieser Wert gibt Aufschluss über die Behinderung eines MS-Betroffenen im Vergleich zu anderen MS-Betroffenen mit einer vergleichbaren Erkrankungsdauer.32
Eine Nahrungsmittel-Allergie geht bei MS-Betroffenen oft mit einer größeren Anzahl von Krankheitsschüben einher. US-Forscher fanden heraus: Gegenüber Nicht-Allergikern ist die jährliche Schubrate um das 1,38fache erhöht.33
Ein Zusammenhang zwischen Multipler Sklerose und Umwelt- und Arzneimittelallergikern konnte bisher nicht festgestellt werden.34
Referenzen:
- https://flexikon.doccheck.com/de/Multiple_Sklerose (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
- https://www.netdoktor.de/krankheiten/multiple-sklerose/#:~:text=Multiple%20Sklerose%20wird%20auch%20die,von%20der%20Sch%C3%A4digung%20betroffen%20sind (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
- https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/multiple-sklerose-ms/was-ist-multiple-sklerose-ms/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
- https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/022-014l_S1_Multiple-Sklerose_Kinderalter_2016-02-abgelaufen.pdf (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
- https://neurotransconcept.com/indications/?i=MS&p=1#:~:text=Die%20Multiple%20Sklerose%20kommt%20bei,Lebensjahr)%20noch%20st%C3%A4rker%20zum%20Tragen (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
- https://www.netdoktor.de/krankheiten/multiple-sklerose/ (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
- https://dgn.org/wp-content/uploads/2021/04/030050_LL_Multiple_Sklerose_2021.pdf; Seite 9 Absatz 1. (Zuletzt abgerufen am 28.01.2022)
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