29.04.2024 – Wissenschaft & Forschung
Weizenproteine können MS-Symptome verschlimmern
Für die beobachteten Effekte verantwortlich sind natürliche Proteine, sogenannte Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI), die in Getreidesorten wie Weizen, Gerste und Roggen vorkommen. Gluten-Proteine, die bei der Zöliakie entzündliche Reaktionen des Dünndarms hervorrufen, zeigten in der Studie keinen Einfluss auf die MS.
„ATI-Proteine werden kaum verdaut und verursachen leichte Entzündungsreaktionen im Darm. Durch ATI aktivierte Entzündungszellen und Botenstoffe können jedoch auch aus dem Darm über den Blutkreislauf in andere Teile des Körpers transportiert werden, wo sie bereits bestehende Entzündungsprozesse befeuern“, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität. Dies kann in Organen wie der Leber oder der Lunge geschehen, aber auch im zentralen Nervensystem (ZNS), wie die Wissenschaftler nun zeigen konnten. Auf diese Weise verstärken die ATI-Proteine auch die MS-bedingten Entzündungsprozesse in Gehirn und Rückenmark und können so die Erkrankungssymptome verstärken.
„Bisher gab es keine eindeutigen Belege, dass eine weizenhaltige Ernährung auch entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems beeinflussen kann. Nun konnten wir sowohl im Tiermodell als auch in einer klinischen Pilotstudie zeigen, dass bestimmte Weizenproteine die Schwere der MS fördern können. Dabei spielen die sogenannten ATI-Proteine eine wesentlich größere Rolle als die Gluten-Proteine“, erklärte Prof. Detlef Schuppan, Direktor des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz und Professor an der Harvard Medical School.
Zunächst hatten die Forschenden am Tiermodell der MS gezeigt, dass sich die Symptome der MS sowohl bei einer weizenreichen Ernährung (25 % Weizenanteil) als auch schon bei einer sehr geringen Menge an ATI-Proteinen (0,15 % des Futtergewichts) im Vergleich zu einer weizenfreien Ernährung stark verschlechterten. Mit einer großen Menge an Gluten-Proteinen (5 % des Futtergewichts) ließ sich diese Beobachtung hingegen nicht reproduzieren.
Im nächsten Schritt gelang es dem Forschungsteam, diese Ergebnisse aus dem Tiermodell auch in einer klinischen Pilotstudie zu bestätigen, an der Patientinnen und Patienten mit mittelschwerer, aber wenig aktiver MS teilnahmen. Das Studiendesign sah vor, dass eine Hälfte der Teilnehmer drei Monate lang möglichst wenig Weizen zu sich nahm (weizenreduzierte Diät), während die anderen ihre übliche, weizenhaltige Ernährung beibehielt. Danach wechselten die Gruppen für weitere drei Monate zur jeweils anderen Ernährungsweise. Während der Phase mit weizenreduzierter Ernährung berichteten Teilnehmer beider Gruppen von deutlich weniger Schmerzen. Darüber hinaus fanden die Forschenden während der Diätphase in Blutproben der Teilnehmer weniger entzündliche Immunzellen.
„Unsere Studien belegen, wie wichtig die Ernährung, ihre Wechselwirkungen mit dem Darmmikrobiom und dem Darmimmunsystem für die Gesundheit ist. Eine weizenfreie Ernährung kann die Schwere einer MS, wie auch anderer entzündlicher Erkrankungen mildern. Weitere Studien, die unter anderem eine weizenfreie Ernährung mit anderen medikamentösen Therapien verbinden, sind geplant“, erklärte Schuppan.